Myth
Als ich das erste Mal das Campusgelände aufsuchte, verließ ich es mit einem seltsamen Gefühl, weil die Gebäude zwar Geschichte repräsentieren, durch ihr einsames Dasein aber nur unwirkliche Ruhe ausstrahlten. Wie ein schlafendes Wesen, bei dem man nicht sicher ist, ob es wieder erwacht und zurück ins Leben findet. Doch mit dem ersten Tag des regulären Kursbetriebs verschwanden meine Zweifel. Mein undefiniertes Unbehagen verwandelte sich pure Neugier. Diese Universität atmet und platzt fast vor Energie. Die Studenten sind das Blut, das durch ihre Adern gepumpt wird. Überall regt sich sich das Leben und selbst die einsamste Bank wird durch die wärmenden Sonnenstrahlen wiederbelebt. Es ist ein Zyklus, der sich jedes Semester wiederholt aber doch nie gleich verläuft, weil immer wieder andere Verbindungen und Netzwerke zum Vorschein kommen. Fremde, die vorher funktionslos nebeneinander lebten, können durch ein gemeinsamen Abend oder eine gemeinsames Hobby plötzlich interagieren. Das soziale Netzwerk wächst und verändert sich dadurch kontinuierlich. Mit jeder Veränderung bekommt dieser Organismus ein neues Gesicht, eine neue Geschichte, eine neue Möglichkeit. Jetzt liegt es an mir, meinen Platz zu in diesem bunten Treiben zu finden. Die ersten Kontakte wurden geknüpft. Die ersten Feiern freudig überstanden. Morgen geht es an die akademischen Herausforderungen, die mindestens genauso interessant werden dürften.

„Things are not so simple. Myth is not opposed to the real as the false to the true; myth accompanies the real“
Pierre Vidal-Naquel