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Montag, 16. Februar 2009
Montag, 16. Februar 2009
Grotesk
Die Route zu den Universitätsgebäuden war mir aufgrund der zur Begrüßung erhaltenen Stadtkarte zwar ungefähr klar, aber ich wusste deshalb trotzdem nicht genau, welchen Weg ich gehen muss. Deshalb entschloss ich mich heute zu einer ersten Erkundungstour. Nicht dass ich mich während des Ernstfalls in wenigen Tage verlaufe. Zunächst war ich überrascht, dass die Uni soweit oben auf dem Berg ist. Vielleicht hätte ich mir mal bei Google die Höhenunterschiede anzeigen lassen sollen. Egal. Die Richtung stimmt jedenfalls. Warum also nicht den abknickenden Weg nutzen und auf eine Abkürzung hoffen? Gedacht, getan. Direkt am Eingang des Pfades stand einsam und verlassen ein braunes Sofa. Direkt daneben ein Mülleimer, der mich vermuten ließ, dass das Sofa wohl doch noch in seiner ursprünglichen Funktion genutzt wird. Vielleicht von Studenten, die etwas abseits von der Uni chillen wollen. Trotzdem wirkte es in dieser Szenerie irgendwie aus dem Zusammenhang gerissen. Wie in Horrorfilmen, wo die Platzierung eines Alltagsgegenstandes an ungewohnter Stelle gerne zum Spannungsaufbau genutzt wird. Abgesehen davon existieren keine Markierungen entlang der Wege oder eine Kennzeichnung für das Gebiet. Nur ein ausgetretener Pfad entlang eines steilen Anstiegs, der von einer großen, unberührten Umgebung eingerahmt wird. Doch was sind das denn für Steinplatten? Das können doch keine Gräber sein. Die Uni ist doch nur wenige Meter entfernt. Wie kann das sein? Was machen Gräber an diesem verwinkelten und naturbelassenen Abhang? Und warum führt ein Trampelpfad mitten durch sie hindurch? Bei der genaueren Begutachtung der Inschriften sehe ich, dass es Gräber gibt, die fast 200 Jahre alt sind. Sie sind in unterschiedlichen Zuständen. Einige sind umgekippt oder in Schieflage, andere zugewachsen und damit unerreichbar. Gleichermaßen unleserlich sind sämtliche Inschriften, was wohl dem stetigen Wettereinfluss zu verdanken ist. Bemerkenswert an den Gravuren ist aber, dass keine Geburtsdaten vermerkt sind. Stattdessen wurden nur der Todestag und das erreichte Alter angegeben. Keines der Gräber ist gepflegt oder wird noch mit irgendwelchen Blumen bedacht. Warum ist denn hier nirgendwo eine Kennzeichnung, die mich darauf hinweist, dass es sich um einen Friedhof handelt? Ich folge neugierig dem verwinkelten Aufstieg und erreiche eine Erhöhung, die eine wundervolle Aussicht über die Stadt gewährt. Die Atmosphäre kann ich nicht beschreiben. Hinter mir die zerklüftete Gräberlandschaft. Vor mir der lebendige Hafen. Es ist absolut grotesk. Bin ich auf meinem Weg zur Uni wirklich gerade durch einen verwitterten Friedhof marschiert? Ist das ein Traum oder die Wirklichkeit? Wurde die Uni wortwörtlich auf den Knochen der Vorvater gebaut? Keine Antworten. Nur der seltsamste Ersteindruck eines Ortes, den ich jemals hatte.
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